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Abkühlung im Quartier - Freiflächen zum Spielen

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Das Mitdenken der Aspekte der grünen Infrastruktur bei der Planung bedeutet ein Plus zu den Alltagsanforderungen von Spielflächen.

Trockenheit, Hitze, Insektenrückgang – spätestens seit dem Sommer 2018 ist für viele offensichtlich, dass Klimawandel und Verlust der Biodiversität einschneidende Auswirkungen haben.

Kinder sind auf qualitätvolle Freiräume angewiesen. Fehlt es an ausreichend Freiraum, kann es zu sozialen und sprachlichen Entwicklungsstörungen kommen, so die Kinderstudie „Raum für Kinderspiel!“ des deutschen Kinderhilfswerks. Auch die Vulnerabilität von Kindern gegenüber Hitzebelastungen ist hoch, genauso wie die von Senioren und Kranken.

Ein Grund mehr, Spielflächen als Teil der grünen Infrastruktur zu betrachten und entsprechend zu gestalten.

"Multicodierung" auf Spielflächen

Die DIN 18034 „Freiflächen zum Spielen“ gilt nicht nur bei rechtlich ausgewiesenen Spielräumen, sondern bei zum Spielen geeigneten Flächen. Die Vorgaben für Pflanzungen und Naturerleben berühren Aspekte der grünen Infrastruktur. Allerdings ist deutlich mehr „Multicodierung“ möglich.

Grüne Infrastruktur bedeutet ein Plus zu den Alltagsanforderungen bei der Planung von Spielflächen © Landschaftsarchitekturbüro Hoff

Jede Einzelfläche wird dann zuerst als Baustein des Systems der grünen Infrastruktur betrachtet. Für die Grundlagenermittlung bedeutet das schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt – wenn Neuplanungen oder Überarbeitungen anstehen und Budgets festgelegt werden, – Lage und Einbindung ins Stadtgefüge zu betrachten.

Inzwischen verfügen die meisten Kommunen über eigene Klimaanpassungskonzepte, Starkregenrisikoabschätzungen, Nahmobilitätskonzepte u.a. Es gibt in NRW Biotopverbundstrategien, zumindest auf Landesebene, mit flächenscharfen Aussagen oder Lärmkarten. Ist erkennbar, dass die Fläche durch Integration von Funktionen zur Lösung beispielsweise im Bereich der Starkregenprävention beitragen kann, sind interdisziplinäre Handlungs- und Lösungswege vorzudenken, auch über Zuständigkeitsgrenzen hinweg. Von den nicht zuletzt auch finanziellen Synergien, die sich durch „multicodierte“ Lösungen ergeben, profitieren dann viele – gerade auch die Kinder.

Das Mitdenken der Aspekte der Grünen Infrastruktur bei der Planung bedeutet ein Plus zu den Alltagsanforderungen von Spielflächen. Manche Anforderungen kommen komplett neu hinzu, andere erhalten lediglich ein anderes Gewicht. Das klingt nach Überfrachtung des Einzelvorhabens, Beispiele zeigen aber, dass Synergien auch neue Möglichkeiten entstehen lassen – auf der Ebene von Stadtteil, Quartier und auf der einzelnen Fläche. Die Umsetzung ist in jeder Einzelfläche ganz unterschiedlich.

Spiel und Aufenthalt

  • Angebote in der Umgebung
  • Exposition
  • Sicherheit
  • Multifunktionalität
  • Zielgruppenorientiert
  • Inklusion – Barrierearmut
  • Pflege und Unterhaltung
  • Beleuchtung

Konsensgetragene Planungen mit Bürgerbeteiligung und vielfältig nutzbare Raumstrukturen, auch ohne Geräteausstattung, sind eine wichtige Grundlage für nachhaltige Spielflächen. Beteiligung und Nutzungsvielfalt bilden die Basis für soziale Kontrolle, die möglichem Vandalismus entgegenwirkt und die in vielen Kommunen durch erfolgreiche Patenprogramme gestärkt wird.

Gerade die frühzeitige Einbeziehung der Aspekte von Pflege und Unterhaltung in die Planung, am besten in der direkten Abstimmung mit den zuständigen Akteuren mit ihrem Erfahrungswissen, trägt nachhaltig und langfristig zur Schonung der Ressourcen bei. Die Zusammenlegung von Gehölz,- Wiesen- und Spielflächen zu größeren Einheiten vereinfacht die Pflege.

Nachhaltigkeit bei Gestaltung und Materialien sind schon seit langem ein Gebot der knappen Kassen. Bei den Ausstattungselementen ist es schwierig, umweltbewusst auszuwählen. Wer wagt schon einzuschätzen, ob die Ökobilanz über den gesamten Lebenszyklus bei Spielgeräten mit Stahl- Holz- oder Recyclingkunststoffpfosten positiver ausfällt. Im Bereich des Garten- und Landschaftsbaus gibt zurzeit die EPD Umwelt-Produktdeklaration in Einzelfällen Orientierung. Selten fällt die umweltgerechte Auswahl so leicht wie bei insektenfreundlicher, energiesparender LED-Beleuchtung.

Qualifizierung des gesamtstädtischen Spielflächenkonzeptes Bonn in Bezug auf Grüne Infrastruktur © Landschaftsarchitekturbüro Hoff

Grünstrukturen

  • Integration des Bestandes
  • lebendig und vielfältig
  • nutzbar
  • funktional
  • klimaangepasste Pflanzenwahl
  • Pflege und Unterhaltung

Klimaangepasste Pflanzenauswahl

Spielräume können eine wichtige Funktion im Rahmen der Klimaanpassung übernehmen. Sie sind kühle Räume, die über kurze Wege im Quartier erreichbar sind und dadurch für alle Bewohner an Bedeutung gewinnen. Bereits Einzelflächen mit min. 3ha wirken nachhaltig kühlend im Quartier – abhängig von Größe und Struktur – bis mindestens 200m in die Bebauung hinein. Auch wenn Spielflächen diese Größe nur selten erreichen, sind kühlende Effekte kleinerer Flächen dennoch in den Wärmebildern von Klimaanpassungskonzepten ablesbar.

Integration von Baumbestand und Gebüsch ist selbstverständlich bei der Gestaltung der Spielflächen, sichert Schattenplätze und Vögeln oder Fledermäusen Lebensräume. Spielplätze als Trittsteine im urbanen Biotopverbund sind allerdings keine Selbstverständlichkeit. Besonders für Insekten können auf städtischen Grünflächen mit extensiven Wiesen oder Staudenfluren große Effekte erreicht werden: für die Spielenden bedeutet das Naturerlebnisse und Sinneserfahrungen. Auch extensive Naschpflanzungen mit Hasel und Beerenobst sind in Spielbereiche zu integrieren.

Die Erfordernisse einer klimaangepassten Pflanzenauswahl werfen neue Fragestellungen auf. Schon jetzt sind Baumpflanzungen vorzunehmen, die mittel- und langfristig die klimatischen Funktionen der bestehenden Bäume übernehmen: Beschattung und Kühlung. Bei der Artenauswahl stehen Biodiversität und Klimaanforderungen oft in Widerspruch. Die verschiedenen Aspekte der Grünen Infrastruktur erfordern da eine Abwägung. Neue Elemente wie Baumrigolen verbinden Regenwassermanagement mit wechselfeuchten Baumstandorten.

Erschließung

  • Wegebezüge innerhalb und außerhalb des Grundstücks
  • Funktionen
  • Reduzierung befestigter Flächen
  • Art der Befestigung (Material, Farbe, …)
  • Gefälle und Entwässerung

Regenwasser (be)nutzen

Je kleiner Spielräume sind, desto höher ist der unvermeidbare Anteil befestigter Flächen allein aufgrund des Nutzungsdrucks. Strapazierfähige Flächen können trotzdem sickerfähig sein oder müssen bei geeigneten Bodenverhältnissen nicht an die Kanalisation angeschlossen werden. Bei großen Spielräumen ist die geschickte Wegeplanung und Zuordnung der Funktionsbereiche eine Basis für einen hohen Anteil lebendiger Vegetationsflächen mit unterschiedlichen Spieleigenschaften und Klimafunktionen. Wird die Einzelfläche in ein Netzwerk von grünen Wegen, Spiel- und Aufenthaltsorten im Quartier und darüber hinaus eingebunden, stärkt dies nachweislich Gesundheit und Lebensqualität sowie die nachhaltige Nahmobilität.

Ver- und Entsorgung

  • Anschlussmöglichkeiten an Leitungen, Kanäle, Wasserläufe
  • Exposition des Grundstücks
  • Sickereignung des Untergrundes
  • technische und wirtschaftliche Möglichkeiten

Für Grundstücke mit einer abflusswirksamen Fläche von über 800m² ist seit 2016 ein Sicherheitsnachweis gegen schadlose Überflutung mit einem mindestens 30-jährigem Regenereignis zu führen. Zudem definieren die Fließwegeanalysen der Kommunen Problemflächen bei Starkregenereignissen. Spielflächen gewinnen für ihr bebautes Umfeld vor diesem Hintergrund eine Bedeutung innerhalb des Regenwassermanagements. Mulden, Rigolen, Baumrigolen u.a. können in die Spielflächen integriert werden, ohne dass die „Regenwasseranlagen“ zum Sicherheitsrisiko werden. Regenwasser kann unter Beachtung gestalterischer, technischer und hygienischer Anforderungen auch für Wasserspielanlagen genutzt werden. Das „Wassermanagement“ in den Spielräumen steigert zudem die Verdunstungsleistung und damit die klimatische Wirkung der Spielflächen und macht sie zu einem Baustein in Klimaanpassungskonzepten.


Autorin: Martina Hoff, Landschaftsarchitektin bdla, Landschaftsarchitekturbüro Hoff Planung Ökologie Freiraum, Essen. Der Text erschien in der bdla-Verbandszeitschrift "Landschaftsarchitekten" 3/2020.

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