Bayern

Nachbericht: LAtalks. Salongespräche „Grün um jeden Preis (?)“ - Teil 1

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„Ein Experiment“ – so nannte Moderator Andreas Rockinger eingangs die von Vorstandsmitglied Nicole M. Meier und ihrer AG Impulse des bdla Bayern initiierte Veranstaltungsreihe, die am Donnerstag, 9. November zum ersten Mal in die Münchner Zwischennutzungs-Location und mucbook Clubhaus „Perle“ lockte. Schwerpunktthema der 1. Ausgabe war der "Umgang mit historischen Orten und Plätzen im Kontext von Klimawandel und Biodiversität". 

© Nicole M. Meier

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Schnell war der Raum gefüllt und die Sitzplätze an Kolleg:innen und Interessierte vergeben, die der Einladung folgten, interdisziplinäre Haltungen zu aktuellen Themen der Stadtgestaltung zu diskutieren.

„Grün um jeden Preis (?) - Umgang mit historischen Orten und Plätzen im Kontext von Klimawandel und Biodiversität“, so der Titel des ersten Teils mit interdisziplinär besetztem Podium: Pia Schwarz (Raumplanerin bei bauchplan), Julia Ulrich (Landschaftsarchitektin und Baurätin der LH München, Referat für Stadtplanung und Bauordnung), Martin Höppl (Kunsthistoriker, Platzforscher) und Dr. Lisa Küchel (Stadtplanerin und Geschäftsführerin bei Weeber+Partner, Institut für Stadtplanung und Sozialforschung) beleuchteten zunächst in einer moderierten Diskussion und später gemeinsam mit dem Publikum diverse Aspekte zu dem komplexen Thema.

   

• © Nicole M. Meier

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Zum Einstieg schlüpften die vier Podiumsgäste in die Rollen von Quartiersmanagerin, Mitarbeiterin in der Stadtsanierung, Denkmalpfleger und Landschaftsarchitektin. Anhand eines gemeinsam gewählten Beispielplatzes erarbeiteten und diskutierten sie bestehende Qualitäten und Defizite, Potentiale hinsichtlich Umgestaltung und Weiterentwicklung sowie die Herausforderungen, die das Projekt mit sich bringen würde.
Neben unterschiedlichen Nutzeransprüchen wurden die Belange von Mobilität und Verkehr mit denen der Aufenthaltsqualität gegeneinander abgewogen. Hinsichtlich Sicherheit spiele neben Rettungswegen auch die Beleuchtung eine wichtige Rolle, die wiederum in einem gewissen Konflikt mit der Biodiversität stünde. Wichtige stadtklimatische Potentiale wurden in der Pflanzung von Bäumen und der Etablierung von Fassadenbegrünung gesehen, aber auch architektonische Elemente zur Verschattung sowie Wasserspiele zur Kühlung, die Entsiegelung von Belagsflächen bis hin zur Freilegung von Stadtbächen wurden als konkrete Maßnahmen zu Klimaanpassung und Klimaschutz diskutiert. Dr. Lisa Küchel schilderte anhand eines Beispielplatzes, wie unwegsam ein Planungsprozess werden kann, wenn es nicht gelingt, die unterschiedlichen Nutzeransprüche zu berücksichtigen und alle Beteiligten mitzunehmen. Dann könne sogar die Umsetzung eines prämierten Wettbewerbsbeitrages ins Wanken geraten.

Können möglicherweise eine höhere Bereitschaft zum Experimentieren und temporäre Bespielungen analog zu den verschiedenen Nutzeransprüchen helfen, dynamische Orte zu generieren, um den unterschiedlichen Anforderungen gerecht werden zu können?

Ein Ansatz, den Baurätin Julia Ulrich als eine vielversprechende Herangehensweise in den Raum stellte, und zu welcher auch Pia Schwarz aufforderte und dabei darauf verweist, wie wichtig es sei, den Handlungsbedarf nachvollziehbar zu kommunizieren. Die Vermittlungsaufgabe, die den Planer:innen dabei zukommt, sei von zentraler Bedeutung. Gleichermaßen wichtig sei der Aspekt Zeit, denn gehandelt werden müsse jetzt. Trotz der Bedeutung von Kommunikation und Partizipation, können aber manche Dinge nicht so lange warten, so Dr. Lisa Küchel. Nicht selten würden gute Entwürfe in einem langwierigen Prozess zerredet und schlussendlich in ihrer Wirkung geschwächt werden. Erst wenn der Leidensdruck groß genug sei, würde allen der akute Handlungsbedarf bewusst werden, so Küchel und fordert auf, in die Politik zu gehen, denn dies sei der schnellste und demokratischste Weg, sich als Planer:in nachhaltig einbringen und konkrete Veränderungen herbeiführen zu können.

Der bewusst provokant formulierte Titel „Grün um jeden Preis (?)“ wurde nach anfänglichem Konsens über den Handlungsbedarf hinsichtlich Klimaanpassung und Biodiversität auch kontrovers diskutiert, nämlich als man zum Kerninhalt der Veranstaltung kam: Wie gehen wir mit unserem historisch wertvollen Bestand um? Darf man diesen signifikanten Veränderungen unterwerfen oder warum sollte man ihn nicht neu denken dürfen? Landschaftsarchitekt und Vorsitzender der DGGL Bayern, Wolfgang Niemeyer, betonte einerseits die Bedeutung von Maßnahmen zu Klimaanpassung und Biodiversität, andererseits aber den Wert von historischen, über Jahrzehnte gewachsenen Plätzen, die keine Umgestaltung benötigen. Dafür gäbe es viele andere Orte in München, die einer Verbesserung hinsichtlich Klimaanpassung und Biodiversität bedürften. Weiterhin betont er die Spannung, die zwischen dem Wechsel von steinernen und grünen Freiräumen.

Plätze dürfen nicht isoliert betrachtet werden, sondern sind als ein Gesamtsystem innerhalb einer Stadtstruktur zu verstehen, das in sich unterschiedliche Ausprägungen und Qualitäten besitzt.

Demnach gilt es also, die Orte auszumachen, an welchen akuter Handlungsbedarf besteht und jene, die man in ihrer Form bewahren sollte. So sprach Martin Höppl bereits in seinem Initiativgutachten dem Max-Joseph-Platz den Status eines Architekturplatzes par excellence zu. Plätze dürften nicht isoliert betrachtet werden, sondern sind als ein Gesamtsystem innerhalb einer Stadtstruktur zu verstehen, das in sich unterschiedliche Ausprägungen und Qualitäten besitzt. Ähnlich menschlichen Charakteren, habe jeder Ort eine eigene Lebensgeschichte: manche seien geborene Grünplätze, andere eben nicht. Dabei sprach er sich jedoch klar gegen eine generell angewandte, „statische Konservierung“ von Plätzen aus. Vielmehr sieht er den Wandel (von Platzgestaltungskonzepten) als „eigentliches Grundprinzip der Platzgestaltung“.

Franz Damm ging noch einen Schritt weiter und äußert seine Zweifel, dass historische Plätze immer so belassen werden müssen, wie sie ursprünglich gedacht wurden. Vielmehr plädierte er dafür, dass wir unsere Städte und öffentlichen Räume stetig weiter bauen und an die neuen Anforderungen anpassen. Man dürfe solch unangenehme Entscheidungen nicht auf die lange Bank schieben.

Grün ist nicht gleich Grün

Ob es nun immer Bäume sein müssen oder ob man in der historischen Altstadt Klimaanpassung nicht auch mithilfe anderer Elemente, wie beispielsweise mittels Verschattungselementen und Brunneninstallationen schaffen kann – fest steht für Julia Ulrich: „Der schönste Platz nützt uns nichts, wenn sich dort niemand aufhalten kann“ und regt an, Vegetation und ihre Wirkung auf den Ort auch im Verlauf der Jahreszeiten zu betrachten. Ähnlich sieht es auch der ehemalige Stadtrat Paul Bickelbacher. Er erinnerte an die verschiedenen Werkzeuge, die wir als Landschaftsarchitekt:innen haben und dass „Grün schließlich nicht gleich Grün“ sei, sodass man ganz unterschiedlich auf die verschiedenen Orte reagieren könne.

Es liegt an uns Planer:innen, die Komplexität von Vorhaben aufzuzeigen und in die Politik zu tragen, um diese zu befähigen, fachkundig Kompromisse und adäquate Lösungen auszuhandeln.

Die kurzweilige Diskussion zeigte kontroverse Ansätze, die aber dann doch in einem Punkt einen Konsens zu finden schienen, nämlich dass eine der wesentlichen Herausforderungen darin besteht, eine angemessene, ortsspezifische Herangehensweise zu entwickeln. Zu Recht warnte Doris Grabner in diesem Zusammenhang vor einem unqualifizierten schnellen Handeln und betonte die Bedeutung eines interdisziplinären und von der Politik unterstützten Vorgehens. Schnelle, übers Knie gebrochene Lösungen seien meist nicht ausgegoren genug, um der gestellten Aufgabe gerecht zu werden. Es liegt also an uns Planern und Planerinnen, die Komplexität dieser Vorhaben aufzuzeigen und in die Politik zu tragen, um diese zu befähigen, fachkundig Kompromisse und adäquate Lösungen auszuhandeln. Grundlage hierfür sollte über wettbewerbliche Verfahren oder Mehrfachbeauftragungen geschaffen werden. Nur so kann eine Bandbreite an alternativen Lösungsansätzen aufgezeigt werden, die dazu befähigen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Der Abend brachte viele spannende Aspekte hervor, zu welchen man sich auch nach dem offiziellen Teil in lockerer Bar-Atmosphäre weiter austauschte. Besonders freuen wir uns, dass neben Vertreter:innen unserer Profession, dem Vizepräsidenten der Bayerischen Architektenkammer Franz Damm und Mitgliedern der DGGL und des Münchner Forums, auch die interessierte Öffentlichkeit zugegen war. Für die Zukunft haben wir uns das Ziel gesetzt, ein noch diverseres Publikum anzusprechen, um unsere Vision von LAtalks. Salongespräche als interdisziplinäres Diskussionsforum langfristig etablieren zu können.

Die AG Impulse richtet ein besonderes Dankeschön an:

  • die Podiumsgäste Pia Schwarz, Julia Ulrich, Martin Höppl und Dr. Lisa Küchel für ihre vielseitigen Blickwinkel auf die Thematik
  • Andreas Rockinger für die Moderation
  • Elisabeth Auer, Geschäftsstellenleiterin des bdla Bayern und Vorstandsmitglied Doris Grabner für den tollen organisatorischen Support
  • die Firma Runge für das Sponsoring unserer Veranstaltung
  • die Bayerische Architektenkammer für die Unterstützung als Kooperationspartnerin
  • die Perle: Mucbook Clubhaus & Steinchen Kulturcafé für die Gastfreundschaft
  • allen Zuhörer:innen und Mitdiskutierenden im Publikum für die rege Teilnahme
Die nächste Ausgabe von LAtalks im Rahmen der Reihe „Grün um jeden Preis (?)“ ist bereits für das 1. Quartal 2024 in Vorbereitung. Wir informieren Sie rechtzeitig hier auf unserer Webseite sowie via LinkedIn und Instagram.


Autorin: Nicole M. Meier, Vorstandsmitglied bdla Bayern, Leiterin der AG Impulse und Initiatorin der LAtalks. Salongespräche

 

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