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Landschaftsarchitektur und Europa. Perspektivwechsel – nicht nur in der fachlichen Debatte

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Von Steffi Schüppel

Meine ersten Berührungspunkte mit dem bdla hatte ich vor über 20 Jahren, beim Neujahrsempfang der Landesgruppe Hessen. Ich habe die wunderbare Veranstaltung noch gut in Erinnerung, ein schönes Fest in guter Atmosphäre mit so vielen Gleichgesinnten. Seitdem bin ich dabeigeblieben.

Das Miteinander der Kolleg:innen, der rege fachliche Austausch haben mich damals, während meines Studienpraktikums im Taunus, sehr beeindruckt. Das nächste Praktikum in meinem Studium führte mich in die USA, und natürlich war ich neugierig, was im amerikanischen Berufsverband ASLA so passierte.

Als ich dann einige Jahre später in die Schweiz zog, war für mich klar, dass ich auch dort Teil des Berufsverbandes sein wollte, um zu sehen, was die Kolleg:innen dort bewegt und wie sie die Herausforderungen im Berufsalltag angehen, aber auch, um zu sehen, wie es um den Berufsstand bestellt ist und wie die Schweizer Landschaftsarchitekt:innen die Profession voranbringen.

Während ich zuvor in Deutschland freiberuflich gearbeitet hatte, war ich nun in der Schweiz an der Hochschule angestellt. Dieser Perspektivwechsel war sehr spannend für mich, das Umfeld an der Hochschule etwas Neues. Und auch die aktive Arbeit im BSLA eröffnete mir neue Perspektiven. Die Perspektive zu wechseln, das habe ich seither immer wieder als große Bereicherung empfunden. Es hat wohl auch meine tägliche Arbeit und mein Selbstverständnis als Landschaftsarchitektin nachhaltig beeinflusst.

Seit nun gut anderthalb Jahren vertrete ich den bdla als Fachsprecherin Internationales auf europäischer und internationaler Ebene in der IFLA, der International Federation of Landscape Architects. Gemeinsam mit Gwendolyn Kusters, Vorstandsmitglied im bdla Niedersachsen + Bremen und der Architektenkammer Niedersachsen, die als offizielle Delegierte die BAK in der IFLA vertritt, sind wir in die Fußstapfen von Prof. Fritz Auweck getreten. Er hat für Deutschland viele Jahre in der IFLA mitgearbeitet und ihre Geschicke zum Teil maßgeblich mit beeinflusst. Recht große Fußstapfen, doch ein Kollege aus England meinte dazu kürzlich, es gehe nicht darum, die Fußstapfen auszufüllen, sondern darum, im Sinne der Sache weiter voranzugehen.

Die europäischen und internationalen Themen gewinnen immer mehr an Bedeutung und beeinflussen auch das aktuelle Tagesgeschäft. Die inhaltliche Bandbreite ist groß, die Aktivitäten vielfältig. Themen zu Berufspraxis und Ausbildung sowie zur Öffentlichkeitsarbeit beschäftigen uns auf europäischer und internationaler Ebene ganz ähnlich wie in Deutschland.

Steffi Schüppel
bdla-Fachsprecherin Internationales

Fachkräftemangel und Nachwuchs

Beispielsweise ist eine qualitativ hochwertige Ausbildung, die die Studierenden optimal auf den Arbeitsmarkt vorbereitet, nicht nur dem bdla in Deutschland ein Anliegen. Zahlreiche Studienprogramme für Landschaftsarchitektur, aus denen man nach seinen Interessen und gewünschten Schwerpunkten auswählen kann, akkreditiert durch unabhängige Akkreditierungsinstitutionen – das ist bei weitem nicht in allen Ländern der Fall. Ein wichtiges Anliegen auf europäischer Ebene ist daher ein gemeinsamer Ausbildungsrahmen (Common Training Framework CTF), in dem die Eckpunkte der Landschaftsarchitekturausbildung definiert sind sowie eine Anerkennung von Studienprogrammen durch IFLA Europe. Damit werden für Landschaftsarchitekt:innen Hindernisse für den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr abgebaut, Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstige Befähigungsnachweise können leichter gegenseitig anerkannt werden, der Arbeitsmarkt öffnet sich. Mit Blick auf den Fachkräftemangel und das Thema Nachwuchs wichtige Aspekte.

Die genannten Punkte werden seit einiger Zeit in IFLA Europe intensiv diskutiert, erste Ergebnisse liegen vor. Jedoch können diese Instrumente nur Wirkung entfalten, wenn alle mitziehen. Konkret heißt das, dass auch für die deutschen Studienprogramme eine Anerkennung durch IFLA Europe das Ziel sein sollte. Wie dies im Spannungsfeld von gesamteuropäischen Bemühungen und der konkreten Situation in Deutschland am besten zu bewerkstelligen ist, wird aktuell mit dem neuen IFLA Europe-Vizepräsidenten für Ausbildung, Attila Toth (Slowakei), besprochen.

Arbeitsgruppen und Mitstreiter:innen

In zahlreichen Arbeitsgruppen findet ein intensiver Austausch zu unterschiedlichen Fachthemen statt. Positionspapiere werden erarbeitet, Veranstaltungen organisiert, Kontakte zu Politik und Verwaltung geknüpft und gepflegt, in der Öffentlichkeit vom Berufsstand berichtet und für ihn geworben.

Eine Gruppe von Menschen steht um einen großen Tisch und Arbeitet mit Karteikarten.
Arbeitsgruppenphase während der Generalversammlung. Foto: Gwendolyn Kusters

Es ist eine große Chance, all diese Themen mit den Kolleg:innen aus den anderen Ländern zu diskutieren und zu erfahren, dass die Fragestellungen meist ganz ähnlich sind oder zum Teil im regionalen Kontext auch ganz anders, Lösungsansätze zu vergleichen und auf die Anwendbarkeit im eigenen Land zu prüfen – eben nicht das Rad immer wieder neu zu erfinden. Für die Arbeit in den Arbeitsgruppen muss man nicht Delegierte:r sein, jedes Mitglied eines nationalen Verbandes kann mitarbeiten. Und auch hier sind – wie im bdla – Mitstreiter:innen immer willkommen. Ich spreche aus Erfahrung, als Mitglied der Arbeitsgruppe »Agricultural Landscapes« in IFLA Europe sowie als Leiterin der Arbeitsgruppe zum 75-jährigen IFLA Jubiläum auf internationaler Ebene.

Die Arbeitsgruppe »Agricultural Landscapes« beschäftigt sich mit der Rolle der Landschaftsarchitekt:innen im Kontext der Landwirtschaft. Das erste Projekt war ein mehrsprachiger Flyer, der diese Rolle umrissen hat. Mit einem Foto-Wettbewerb lenkten wir die Aufmerksamkeit auf die Agrar- und Kulturlandschaften Europas, ihre Bedeutung, Besonderheiten und Ästhetik. Webinare bieten eine Plattform für den Austausch von Fachleuten aus verschiedenen Ländern mit Vertreter:innen der EU-Kommission, der FAO (Food and Agricul-ture Organization of the United Nations) und anderer Institutionen.

Zum 75-jährigen IFLA Jubiläum stand ich dann vor der Herausforderung, selbst die Aktivitäten zu leiten. Zusammen mit Kolleg:innen aus den IFLA Regionen Europe, Americas, Middle East, Africa und Asia-Pacific sowie Vertreter:innen des IFLA-Vorstandes entwickelten wir ein vielfältiges Programm für das Jubiläumsjahr 2023: Veranstaltungen online bzw. hybrid, das Greenbook als Jubiläums-Publikation, ein künstlerischer Wettbewerb zum Thema »Landschaft der Zukunft«, Beiträge zum Weltkongress und zu den Regionalkonferenzen in den IFLA-Regionen, um nur einiges zu nennen. Die Zusammenarbeit mit den Kolleg:innen war wunderbar, trotz der Aufgabenfülle (im Ehrenamt wohlgemerkt!) geprägt von großem Engagement, einem angenehmen Miteinander und einer starken Motivation. Die Auszeichnung durch die IFLA mit einem »Certificate of Appreciation« anlässlich des diesjährigen World Councils in Nairobi war für das ganze Team eine schöne Anerkennung für die geleistete Arbeit.

Gruppenbild der ca. 50 Delegierten
Abschlussbild der Delegierten der IFLA EUROPE-Generalversammlung, die vom 13. bis 15.10.2023 in Neapel stattfand. Foto: Lena Athanasiadou

Mal wieder die Perspektive der anderen einnehmen

Die Herausforderungen an die Gesellschaft machen an Landesgrenzen nicht halt. Klimawandel und Biodiversitätskrise zeigen das ganz deutlich. Es erscheint nur logisch, sich mit Landschaftsarchitekt:innen weltweit zu vernetzen, das Netzwerk auch noch auf benachbarte Disziplinen auszudehnen und gemeinsam unsere Anliegen und unsere Expertise an Politik und Verwaltung heranzutragen.

Darüber hinaus können wir so viel gewinnen, wenn wir mit unseren Kolleg:innen über die Landesgrenzen hinweg im Gespräch bleiben, auf fachlicher Ebene, aber oftmals auch ganz einfach zwischenmenschlich, wenn wir hin und wieder die Perspektive des anderen einnehmen.


Autorin: Steffi Schüppel, Landschaftsarchitektin bdla AIAPP, CATTANEO | SCHÜPPEL urban design and landscape architecture, Dresden, bdla-Fachsprecherin Internationales. Der Text erschien in der bdla-Verbandszeitschrift "Landschaftsarchitekten" 4/2023.


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