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Mit Raumbildern den Wandel gestalten

Foto: Hubert von Dressler

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Transformationsprozess in unseren Landschaften - Verständigung über eine zukunftsorientierte Raumentwicklung.

Von Hubertus von Dressler, Henrik Schultz, Lasse Höppner, Paula Hübner, Simon Oberbarnscheidt

Die aktuellen Veränderungen der Landschaft und insbesondere ländlich geprägter Räume etwa infolge der Energiewende und des Umbaus der Infrastruktur sind gravierend. In den entsprechenden Planungs- und Genehmigungsprozessen gelingt es immer weniger, die notwendigen Transformationen im Sinne einer nachhaltigen, zukunftsorientierten Raumentwicklung zügig auf den Weg zu bringen.

Neue Ansätze sind notwendig, um diesen Transformationsprozess in unseren Landschaften zu begleiten und maßgeblich mitzugestalten (vgl. bdla-Position »Den Wandel gestalten«). Das sollte eine zentrale Aufgabe der Landschaftsplanung sein – bisher wird sie diesem Anspruch aber kaum gerecht, wird sie doch immer noch mehr als Analyse- statt als Planungsinstrument verstanden. Diskutiert werden in der Fachwelt eher Rechtsfragen oder ihre Planzeichen statt integrierter Lösungsansätze und konkreter Zukunftsbilder klimaresilienter, identitätsstiftender Landschaftsräume.

Besonders das in solchen Bildern steckende Potenzial für eine erfolgreiche Kommunikation muss Landschaftsplanung ausschöpfen.

Denn anders als in der Objekt- und Freiraumplanung geht es nicht um die Gestaltung einer Fläche, sondern von Landschaft als Raum, den wir miteinander teilen und über dessen zukünftiges Aussehen wir uns miteinander im Spannungsfeld von privaten Verfügungsrechten und gesellschaftlichen Interessen verständigen müssen.

Raumvisionen/Raumbilder

Raumbilder zeigen die Landschaft als Ganzes und integrieren die Ideen zu ihrer Transformation. Die ko-kreative Arbeit am Raumbild kann als ein Spiel aus Hervorheben und Weglassen beschrieben werden.

  • Welche landschaftlichen Elemente erscheinen den Akteuren bei der Transformation der Landschaft zentral?
  • Was ist besonders empfindlich, welche Landschaftselemente werden zum Hauptdarsteller des Bildes?
  • Was erscheint weniger wichtig und kann in den Hintergrund treten?

Wenn sich die Akteursgruppe etwa darauf einigt, dass im Kontext von Hochwasserereignissen und Biodiversitätserhalt den Flussauen mehr Gewicht in der Transformation gegeben werden sollte, wird statt der in der topografischen Karte kaum sichtbaren Linie des Flusses die Überschwemmungszone des Flusses hervorgehoben und ihre Verbindungen zur umgebenden Landschaft grafisch herausgearbeitet. So erscheint die Flussaue als prägender Bestandteil der Landschaft, an einigen Stellen als Siedlungsbegrenzung, an anderen als Auftrag, den Flächentausch mit Landwirten voranzutreiben, um Ackerland durch Grünland zu ersetzen.

Erst wenn die Flussaue im Raumbild-Entwurf allen vor Augen erscheint, kann diskutiert werden, ob ihr Einfluss auf die zukünftige Transformation übertrieben, zu wenig kraftvoll oder genau richtig erscheint. Damit ein Raumbild entsteht, das unterschiedliche Akteure als ihr Bild sehen und anwenden, braucht es Verhandlungsprozesse, in die die Expertise der bildentwerfenden Fachleute und das Wissen der lokalen Akteure einfließen.

Raumbilder wirken, indem sie bei den vielen Entscheidungen, die die Akteure in unterschiedlichen Projektzusammenhängen treffen, zur Leitlinie der strategischen Ausrichtung einer Stadt oder Region werden.

Wenn das Wechselspiel aus professioneller Bildproduktion und professioneller Prozessgestaltung gelingt, können Raumbilder als zentraler Teil einer gestaltenden Landschaftsplanung Wirkung entfalten. Dann sind sie Kommunikationsmittel für die Verhandlungen zur Frage »In welcher Landschaft wollen wir zukünftig leben?«

Landschaftstheater – ein Raumbild für Wolfenbüttel

Eine zukunftsfähige, resiliente Landschaftstransformation stellt auch für den Landkreis Wolfenbüttel im Südosten Niedersachsens eine Herausforderung dar. Für diese landwirtschaftlich dominierte Region hat ein Projekt im Masterstudiengang »Landschaftsarchitektur« der Hochschule Osnabrück Raumbilder erarbeitet.

Das »Landschaftstheater« zielt darauf ab, die ohnehin im Wandel befindlichen Landschaften mutig zu gestalten und dabei sensibel ihre Besonderheiten und Empfindlichkeiten miteinzubeziehen. Dazu bedarf es eines fundierten Raumverständnisses, das durch ein Wechselspiel zwischen Außen- und Innensicht entsteht. Insbesondere die Bewegung in der Landschaft sowie das begleitende Skizzieren bilden die Grundlage für einen iterativen Entwurfsprozess: Beobachten – Verstehen – Entwickeln – Testen – Anwenden.

Im Projekt wurden zunächst prägnante Elemente und wiederkehrende, typische Landschaftsblicke identifiziert. Dabei treten die Elemente durch wechselnde Intensitäten als Haupt- und Nebendarsteller in der Landschaft auf. Zudem lassen sich Kulissenelemente sowie Bühnen und Tribünen erkennen. Aus diesem landschaftlichen Gesamtensemble entstehen Theaterszenerien, die dabei helfen, das Zusammenspiel der »Darsteller« bildhaft zu verdeutlichen, zu verstehen und damit die Landschaftskommunikation zu erleichtern: Welche Transformationsansätze passen in das Tempo und die Gestalt einer Landschaft?

Im Theatermotiv können Bühnenbilder verändert, weiterentwickelt und mögliche Transformationsansätze spielerisch durch intensives Skizzieren erprobt werden. Die charakteristischen Landschaftsblicke fungieren im Entwurfsprozess als Gradmesser für eine angemessene Transformation.

Zwei Skizzen einer Landschaft
Szenerien „Neue Horizonte“. © Höppner, Hübner, Oberbarnscheidt. In diesen Szenerien erleben die Zuschauer das Schauspiel auf Augenhöhe und deutlich näher vor der Bühne. Das Wechselspiel aus Höhenzügen und Senken lässt den Blick oft nur bis zum nächsten Kamm schweifen, auf dem die Hauptdarsteller (Windräder, Baumreihen) ihr Spiel aufführen. In der Zukunftsszenerie (rechts) bekommen beispielsweise die Windkraftanlagen punktuell entlang der Kammlagen eine deutlich höhere Bühnenpräsenz und die weitläufigen Landwirtschaftsflächen werden durch Grünelemente gegliedert.

 

Es entstehen Zukunftsszenerien (siehe Abbildung oben), in denen Dynamiken durch das Hinzunehmen und Arrangieren (Neuauflage) oder Verstärken (Spin-Off) der »Darsteller« verändert und landschaftliche Potenziale aufgezeigt werden. Beispielhaft erlangt die Oker mit durchgängiger Flussaue eine neue Hauptrolle und vereint Biodiversität, Hochwasserschutz sowie Naherholung. Schützenswerte oder bereits resiliente Landschaftsteile werden hingegen als Evergreens erhalten und bilden einen Gegenpol zu Räumen mit hoher Transformationsgeschwindigkeit (siehe Abbildung unten).

Grafik mit drei Landschaftstheater-Möglichkeiten: Evergreens, Neuauflagen, Spin-offs
Das Raumbild »Landschaftstheater« © Höppner, Lasse; Hübner, Paula; Oberbarnscheidt Simon (2023): Landschaftstheater. Eine Raumvision für den Landkreis Wolfenbüttel.

 

Raumbilder als gemeinsamer Handlungsrahmen

Für den weiteren Transformationsprozess im Landkreis Wolfenbüttel fungiert das »Landschaftstheater« (siehe Abbildung unten) gemeinsam mit fünf weiteren erarbeiteten Raumbildern, die vor Ort in der Galerie »Kulturhaus Dettum« vorgestellt wurden, zunächst als externer Ideeninput.

Grafik einer Landschaft mit verschiedenen Elementen des Raumbild-Theaters
Das Raumbild »Landschaftstheater« © Höppner, Lasse; Hübner, Paula; Oberbarnscheidt Simon (2023): Landschaftstheater. Eine Raumvision für den Landkreis Wolfenbüttel.

 

Die von den regionalen Schlüsselakteuren geführte Diskussion darüber, welche spezifischen Talente der Region betont wurden, welche Bilder neue Perspektiven für die Region schaffen und welche Ideen besonders überzeugen, bildet den Einstieg in den weiteren gemeinsamen Verständigungs- und Umsetzungsprozess.

Die Raumbilder zeigen, dass ein sorgsamer Umgang mit unseren landschaftlichen Qualitäten und ein mutiger Blick in die Zukunft zusammengehören.

Sven Volkers
Kreisbaurat Wolfenbüttel

Kreisbaurat Sven Volkers will, angeregt durch die Projekte, nun mit den Raumbildern weiterarbeiten. »Uns haben sie inspiriert, die Landschaft gemeinsam mit den verschiedenen Akteuren weiter zu gestalten.«

Mit dem Instrument der Raumbilder und einer offenen und kreativen Arbeitsweise kann eine gestaltende Landschaftsplanung besser komplexe Zusammenhänge vermitteln. Ein konsensuales Raumverständnis kann so der Handlungsrahmen dafür sein, Strategien und konkrete Projekte für die vielfältigen raumbezogenen Herausforderungen effektiver als bisher umzusetzen.


Autor:innen

Prof. Hubertus von Dressler, Mitglied im bdla, Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur, Hochschule Osnabrück.
Prof. Dr. Henrik Schultz, Landschaftsarchitekt bdla, DASL, Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur, Hochschule Osnabrück, Projekt Schwerpunktsetzung. Betreuer Landschaftsarchitektur Sommersemester 2023. Hochschule Osnabrück.
Lasse Höppner, Paula Hübner, Simon Oberbarnscheidt, Masterstudiengang Landschaftsarchitektur. Sommersemester 2023. Hochschule Osnabrück.

Der Text erschien in der bdla-Verbandszeitschrift "Landschaftsarchitekt:innen" 1/2024.

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