Vorausschauend den klimatischen Herausforderungen im Planungsprozess begegnen.
Von Ehm Eike Ehrig
In welcher epochalen Zeit der Mensch lebt, zeigt sich meist erst im Rückblick der Geschichtsschreibung. Der Wandel, dem wir Menschen und unsere Umwelt aktuell ausgesetzt sind, scheint sich aber mit zunehmender Geschwindigkeit zu verdeutlichen. Für immer mehr Menschen kristallisiert sich heraus, dass wir im Zeitalter des Klimawandels angekommen sind.
Und auch für uns Fachleute werden die Tragweite und Bedeutung dieser Erkenntnis im planerischen Alltag deutlich. So darf beispielsweise in der Werreaue (Ostwestfalen) unter Verweis auf ein zehntausendjähriges Hochwasserereignis keine Baumpflanzung vorgenommen werden. Die Begründung ist so sachlich wie irritierend, wenn die Annahme zu Grunde gelegt wird, dass das hundert- und selbst das tausendjährige Hochwasserereignis mit dem Klimawandel zu wahrscheinlich würde, als dass auf einer solchen Hochwasserquote eine Planung mit Gehölzpflanzungen erfolgen könnte.
Von derartig extremen Hochwassererwartungen abgesehen, sterben in unseren Parkanlagen und Wäldern infolge von Trockenperioden die Fichten in einer Geschwindigkeit ab, die der Dramatik des Ulmensterbens vor ca. 80 bis 100 Jahren kaum nachstehen. Zwar wurden Fichten vielfach nicht standortgerecht gepflanzt und standen darüber hinaus in den Forsten als Monokultur, dennoch geschieht hier Außerordentliches. – Abgesehen von der Fichte sind auch viele andere Baumarten in Bedrängnis geraten.
So fegte 2014 Sturm Ela über Düsseldorf und den barocken Parkwald von Schloss Benrath (1) hinweg, wobei viele Buchen diesem Wetterereignis zum Opfer fielen. Hier kann argumentiert werden, dass der Buchenwaldbestand bereits in der Zerfallsphase angekommen war, und der Sturm auf einen geschwächten Bestand traf. Dennoch können all diese Erklärungen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zeiten, in denen wir in einer gemäßigten Klimazone leben konnten, offensichtlich vorbei sind.
Mögliche Chancen zwischen den Klimarisiken suchen
Doch wie sollen wir Landschaftsarchitekten auf diese sich beschleunigenden Klimawandelprozesse reagieren? Die Risiken, mit denen in der Freiraumplanung umgegangen werden muss, stellen sich vielfältig dar. Es sind sowohl die belebten Strukturen der Gehölze und des Unterwuchses betroffen wie auch die unbelebten Strukturen der Wege, Befestigungsflächen, Böschungen, Mauern und Brücken. In Zukunft wird in der Objektplanung genau zu überlegen sein, ob Planer sich auf wassergebundene Wegeflächen selbst auf kurzen Strecken mit leichten Abweichungen von der FLL-Richtlinie von 7 % oder 8 % einlassen sollten oder besser nicht. Denn die Risiken für Abspülungen und Überflutungen nehmen vielerorts zu.
Ein Verweis nach erfolgtem Schaden, dass es sich hierbei aber um ein besonderes Wetterphänomen gehandelt habe, wird vor dem Hintergrund des Klimawandels wohl weder einen Richter und erst recht keine Versicherung beeindrucken, die ihrerseits längst andere Maßstäbe für ihre zu versichernden Risiken anlegt. Allein, es wird uns gesellschaftlich nicht voranbringen, nur die Risiken des Klimawandels zu bepreisen und zu beklagen.
Ohne euphemistisch argumentieren zu wollen, sollte unser Berufsstand, der wie kaum ein anderer dazu befähigt ist, vorausschauend zu planen, auch mögliche Chancen zwischen den Klimarisiken suchen. Denn was ist Landschaftsarchitektur anderes als blühender Optimismus und der Glaube ans Leben?
Ein grünes Paradies für zunehmend überhitzte Städte zu planen, wird sowohl notwendiger als auch schwieriger. Denn mit dem Klimawandel verstärkt sich auch die Eutrophierungskrise, die bereits um sich griff, bevor die EU-Kommission vor dem EuGH auf die Reinhaltung des Grundwassers pochte und die Auswirkungen des Klimawandels für jeden, der es sehen wollte, sichtbar wurden. Die Stickstoffeinträge aus der Luft und durch intensive Nutzung von Mensch und Tier sind massiv und verstärken den Trockenheitsstress der Bäume in Parkanlagen zusätzlich.
Denn mit einer erhöhten Stickstoffkonzentration im Boden sinkt der permanente Welkepunkt (PWP). In Jahren extrem trockener Sommer wie 2018 oder 2019 führt dies zu einer beschleunigten Dehydrierung der Bäume. Der Zellinnnendruck (Turgordruck) sinkt auf ein kritisches Niveau ab und die Spannkraft des Holzes verringert sich, was bei hohem Gewicht unterer und vielleicht durch Bestandsdruck schlecht versorgter Astpartien zu einem vermehrten Starkastbruch bzw. Sommerbruch führen kann.
Die Eutrophierung ist somit ein „Brandbeschleuniger“ für die durch den Klimawandel herausgeforderte ökologische Elastizität. Die historischen Glacisanlagen der Stadt Minden haben unter genau dieser Situation zu leiden und im Sommer 2019 viele Bäume verloren. Ein gerade fertiggestelltes Pflege- und Entwicklungskonzept für die historischen Glaciswaldungen (2) könnte davor bewahren, dass die Gehölzbestände in den nächsten Jahren an Arten verarmen oder in einzelnen Bereichen sogar gänzlich kollabieren.
Baumartendiversifizierung im Straßenraum
Dass sich mit veränderndem Klima auch unsere Landschaft verändern wird, ist eine naheliegende Erkenntnis. Dennoch ist vielerorts die Bereitschaft gering, sich auf gebietsfremde Gehölze in der kommunalen Freiraumplanung einzulassen. Die Stadt Düsseldorf pflegt diesbezüglich einen vorbildlichen, weil zukunftsgerichteten Umgang mit dem Thema der Baumartendiversifizierung im Straßenraum unter Zuhilfenahme etlicher gebietsfremder Baumarten. Die Düsseldorfer Straßenbaumliste (3) dient somit auch der Erprobung klimawandelgeeigneter Gehölze und ermutigt dazu, Neues auszuprobieren.
Auf der anderen Seite haben wir aber vielfach kommunale Verwaltungen, die es ablehnen, gebietsfremde Gehölze als Straßenbäume einzusetzen und auch für private Gärten bei Pflanzgeboten vorschreiben, doch bitte nur auf heimische Arten zurückzugreifen. Hier hilft nur, geduldig Aufklärung zu betreiben und mit sachlichen Argumenten zu überzeugen. Das ist nicht einfach, wenn Arten in Bebauungsplänen festgeschrieben sind, die zwar heimisch, aber unter Klimawandelperspektive weniger geeignet wären als gebietsfremde Arten.
Neben all diesen Aspekten der Planung gilt es aber auch, den Planungsprozess selber kritisch zu hinterfragen. Denn zugehörig zur grünen Branche und noch dazu zur konzeptionell denkenden Fachdisziplin Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung kommt uns eine gesellschaftliche Vorbildfunktion zu, die auszufüllen ist. Unsere Disziplin sollte innerhalb der Gesellschaft der Think Tank des Umgangs mit Klimawandelfolgen sein und kluge Klimaanpassungsstratgien entwickeln. Deshalb wäre es förderlich, die eigene Arbeit, möglichst CO2-neutral zu gestalten und alle Bürotätigkeiten und Arbeitsprozesse vom PC- und Server-Stromverbrauch über Mobilität für Baustellenfahrten und andere Auswärtstermine bis hin zum Papierverbrauch auf eine Belastung von Treibhausgasen hin zu durchdenken und zu verbessern.
Auch wenn unsere Branche nur einen marginalen, ja nahezu verschwindend kleinen Anteil am Ausstoß klimaschädlicher Gase haben mag, so geht es doch um Glaubwürdigkeit und unser eigenes Selbstbild, das wir nicht allein für unsere eigene Selbstvergewisserung benötigen, sondern um das Bild, dass wir als Fachdisziplin glaubwürdig vor der Gesellschaft abgeben. Denn wenn die Gesellschaft sich lösungssuchend nach Fachleuten umschaut, die sich mit Klimaanpassungsstrategien und -planungen auskennen, so sollten wir das sein!
(1) EHRIG, E.E. (2015): Gartendenkmalpflegerische Konzeption zur Wiederherstellung des orkangeschädigten Schlossparks Benrath. Stadt Düsseldorf. L-A-E Bielefeld
(2) EHRIG, E. E. 2019: Pflege- und Entwicklungskonzept Glacis Minden. Stadt Minden, Stadtplanung und Umwelt. L-A-E Bielefeld
(3) STADT DÜSSELDORF 2016: Zukunftsbaumliste Düsseldorf. Landeshauptstadt Düsseldorf, Garten- Friedhofs und Forstamt. Düsseldorf
Autor: Ehm Eike Ehrig, Landschaftsarchitekt bdla, L-A-E LandschaftsArchitekten Ehrig & Partner mbB, Bielefeld, Mitglied im bdla-Arbeitskreis Gartendenkmalpflege. Der Text erschien in der bdla-Verbandszeitschrift "Landschaftsarchitekten" 4/2019.
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